Vernissage: Dienstag, 25. April 2006 um 20 Uhr

Rahmenprogramm: Terra Polska 2
Anna Krenz
die Glucken
Dauer der Ausstellung 25. 04.- 05.05.2006


Konzert: 21 Uhr
Marco Barotti "B.C."
Solo "Hang" Concert
(Acoustic Comtemporary Musik - Improvisation)
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Die Gesellschaft von heute ist vom Jugendkult und Gesundheit dominiert. Niemand will alt und gebrechlich sein. Das Alter ist hässlich und unattraktiv. Doch die Frauen, die sich in den Strassen neben uns wie Schatten fortbewegen, die gibt es. Frauen, die meistens während des Krieges groß geworden sind, die an dem Krieg teilgenommen haben und oft den Tod ihrer Nächsten mit ansehen mussten. Sie haben unsere Eltern groß gezogen und sind mit uns, kleinen Balgen, im Park spazieren gegangen.

Diese Frauen wohnen in der Regel allein. Sie sind alt und leben von der Rente. Ihre Männer sind meistens längst verstorben. Das Einzige, was sie noch haben, sind ihre Hunde und Katzen. Um nicht ganz allein zu sein. Sie sprechen mit ihren Vierbeinern, sorgen für sie, geben ihnen zu essen und gehen mit ihnen Gassi. Junge Leute nehmen sie kaum wahr. Sie sind uninteressant. Es sei denn, es handelt sich gerade um die eigene Großmutter.
In Polen sind ältere Frauen dazu oft arm und suchen Zuflucht in der Religion, beten Priester an, gehen täglich zum Gottesdienst und hören Radio Maryja (ein katholischer, ultrakonservativer Sender in Polen). Manchmal besuchen sie ihre Männer auf dem Friedhof. Sie pflegen ihre bescheidenen Wohnungen, die voller Erinnerungen und alter Möbel sind. Im Großen und Ganzen führen sie ein ruhiges Leben bis plötzlich…
…bis ein ungezogenes Kücken ihren Weg kreuzt und zum Beispiel den letzten freien Sitz in der Straßenbahn für sich beansprucht. Dann verspüren sie eine Welle der alten Lebenskraft und kämpfen dafür, was ihnen zusteht, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie werden böse, wenn jemand abweichende religiöse Ansichten vertritt oder an den Glaubensprinzipien zu rütteln versucht. Sie werden wütend, wenn Künstler in ihren

Werken Glaubenssymbole benutzen. Sie können auch handgreiflich werden, wenn sie mutig die Strasse entlang marschieren und sich mittels Plastiktüten den Weg frei räumen. Sie können recht aggressiv werden.
Sind sie neidisch auf die Jugend? Bedauern sie etwas, wenn sie auf ihr Leben zurückblicken? Vielleicht wird ihre jahrelange schwere Arbeit nicht genug gewürdigt? Oder sind sie einfach arm und erschöpft?
So wirken die Glucken von außen betrachtet. Aber wie sind sie wirklich? Die Welt ihrer Generation ist sehr eindrucksvoll und faszinierend, gerät jedoch langsam in Vergessenheit. Es lohnt sich mal in diese Welt einzutauchen, solange es sie noch gibt. Doch für die Gesellschaft sind die Glucken oft nur unnötiger Ballast. Die Durchschnittsrente in Polen ist sehr niedrig und bis die Jungen von heute dran sind wird sie wohl ganz abgeschafft. Dafür sind die Lebens- und Arzneimittelkosten hoch. Vielleicht ist es gerade das: die fehlende Entlohnung in Form von Geld, Ruhe und Bequemlichkeit für die Opfer des langen und schwierigen Lebens. Das macht sie so wütend und intolerant gegenüber der Jugend.
Der Konflikt der Generationen lässt sich nicht verleugnen. Seine Erscheinungen sind auf beiden Seiten zu beobachten: bei den Jungen wie bei den Alten. Aber so darf es nicht sein. Wir sollten alle gegenseitig mehr Geduld und Offenheit aufbringen. Wir Jungen sollten, solange es noch möglich ist, mehr auf die Älteren hören und deren Lebenserfahrung nutzen, die so viel reicher ist als unsere. Und auch anders herum könnten die Älteren mehr darauf achten, was uns in der heutigen Welt freut oder uns Sorgen macht, wenn wir langsam in das Erwachsenendasein eintreten. Von einem Gedankenaustausch könnten wir alle profitieren.

Übersetzt von Krzysztof Pukański
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